Eduard Bigas – Time and the Others
27. September – 25. Oktober 2019
Eines Morgens, als ich aufwachte, öffnete ich langsam meine Augen und begrüßte das Licht, welches in sie eindrang. Dann schaute ich mich im Zimmer um ― es war ein vertrauter Raum, ich hatte ihn vermisst, also suchte ich instinktiv nach meinen Pflanzen. Natürlich sind die ersten Dinge, die ich jeden Morgen sehe, meine Pflanzen. Sie jung, entwickeln sich noch und ich sorge mich um sie. Während ich die einzigen Lebewesen in meinem Zimmer außer mir sorgfältig untersuche, erinnere ich mich an Bigas‘ Bilder. Ich erinnere mich an die Blätter, Dunkelgrün und Violett, hängend wie heißes Wachs; die sich windenden Stengel, von welche einige nach oben sprießen; die Blüten die komplexe Fortpflanzungssysteme hegen.
Dann bemerke ich wie das Licht auf sie triff. Ein Licht, welches durchschneidet, aber ebenso zurückprallt. Die Pflanzen scheinen zu vibrieren, mit dem Licht zu keimen.
Es ist alles-einnehmendes Gefühl, in Gegenwart von Natur zu stehen; sich einen prallen Wald vorzustellen, der vor Leben, Vegetation und Tieren strotzt. Wir empfinden Freude und Staunen, ebenfalls ein gewisses Maß an Sicherheit. Ich frage mich, wie Bigas‘ Bilder solche Gefühle in mir hervorrufen konnten. Ich dachte mir, sollten diese die letzte Erinnerung an unsere Welt sein, wären sie dann repräsentativ für ihre Schönheit?
Eduard Bigas ist, mit Gewicht und Maß, methodisch. Er hat gleichzeitig auch den wilden Geist eines ewigen Schülers, der immer bereit ist zu lernen und sich zu entwickeln. Das bedeutet, dass er sich auf sein Handwerk, die Kontrolle des Lichtes und die Platzierung der Pigmente konzentriert. Wenn Bigas‘ Bilder aus der Ferne friedlich erscheinen und gewissermaßen als Meditationsübung wirken, sind sie, wenn man sich nähert, voll mit detaillierten, organischen Elementen und Farbschwingungen ähnlich einer winzige Biosphäre in ihrer Brutzeit.
Bigas sagte mir oft, dass sein einziger, tiefer Wunsch darin besteht, dass die Menschen seine Bilder “schön, und nicht mehr” finden, wie ein wahrer Romantiker. “Alles ist erfunden”, sagt er. Es gibt keine Angst in Eduards scharfsinnigen Augen. “Es gibt keine Antworten, sie sind unwichtig.” Wir können Fragen stellen, aber Schönheit lässt sich nicht wirklich erklären. Sie muss erlebt werden.
Wie Vitrinen, Aquarien oder Terrarien sind die winzigen Ökosysteme mit der Sorgfalt und Präzision eines japanischen Gartens gestaltet. Es liegt an uns, sie zu beobachten und wert zu schätzen. Ich habe Eduard Bigas nicht getroffen, bevor er nach Japan reiste, aber ich weiß, dass sein Aufenthalt dort einen großen Einfluss auf ihn hatte. Wie die Japaner zieht er sich metaphorisch in das Material zurück, in der Hoffnung, es zu dominieren und ihm Gerechtigkeit zu verschaffen. Auch die Texturen des Hintergrundes seiner Kunst folgen einem sorgfältigen synkopierten und meditativen Rhythmus.
Das erinnert mich ebenso an den Naturalismus, die starke Wertschätzung der Natur, die exakte Darstellung einer physischen Umgebung und den Versuch, sie mittels Form, Farbe und Raum auf die Leinwand zu übersetzen. Die Pigmente selbst, die vorzugsweise aus natürlichen Mineralien gewonnen werden, sind Werk der Natur und können daher in jeglicher Form verwendet werden und sind trotzdem immer, naja… natürlich.
In der Ausstellung “Time and the Others” orchestriert Bigas drei Sätze, drei Serien, drei verschiedene Momente auf einem Zeitstrahl.
In “Geometry of Time”, vorrangig neue, verrückte Ideen und Experimente, gibt es Präzision und Kontrolle. Geometrien bestimmen Grenzen, in denen Farben vorhanden sind, enthalten diese wie ein geschlossener Kreislauf, aus dem sie nicht entweichen können.
“Time and the Others” wiederum nutzt die Gelegenheit, die organischen Formen frei treiben zu lassen, und schließlich wendet Bigas in “Transfigurative Time” die gleichen reichen, manchmal noch komplizierteren Elemente an, aber anstatt sie harmonisch leben zu lassen, ist diese Realität unverblümt geschnitten indem Abschnitte der Leinwand mit flachen Lichtfarben ausgelöscht werden. Diese dienen als Hinweis auf eine fehlende Erinnerung, als ob etwas verborgen bleiben müsste.
Bigas manipuliert das Maß an Zeit, um es an sein Verständnis anzupassen. In dem Versuch, Schönheit in ihrer reinsten Form zu erschaffen und einzufangen, scheinen seine Kompositionen Pigmente und Formen nach Bigas‘ Willen zu biegen, zu dehnen und zu verklären.
Text: C. Palma
Übersetzung aus dem Englischen: R. Zouaoui