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Peter Johansson – Bet Kindlein bet, morgen kommt der Schwed..

Johansson ist einer der häufigsten schwedischen Nachnamen. Anders gesagt: Würde man sich einen typischen „Durchschnitts-Schweden“ vorstellen, würde man ihm wahrscheinlich den Namen Johansson geben. Wenn man dann allerdings am Fuße des in Kumla gelegenen Kvarntorpshögen steht und auf dem Gipfel dieses Berges eben jenen schlichten Namen in riesigen Hollywoodlettern installiert sieht, fragt man sich verblüfft: warum etwas so Gewöhnliches derart in Szene setzen? „Weil es machbar ist, weil es irritiert und weil so auf humorvolle Weise die Frage nach der schwedischen Identität für jeden einzelnen Besucher wortwörtlich und unübersehbar im öffentlichen Raum steht“, würde dann vielleicht einer dieses Johanssons, genauer gesagt Peter Johansson, Schöpfer von Utan Titel, antworten. Johansson (1964 geb.), stammt aus der schwedischen Provinz Dalarna und kennt sich mit bis zum Klischee verkommenen Symbolen schwedischer Identität bestens aus: kleine rote Dalapferde, folkloristische Trachten, Nacktheit und Sauna, Falunrot und Falukorv. Doch anstatt diese vermeintlichen Sinnbilder Schwedens aus Angst, am Ende noch selbst in der IKEA-Schublade zu landen, zu verneinen, torpediert Johansson den festgefahrenen Deutungsprozess jener Kulturzeichen, arrangiert sie neu, rüttelt und zerrt an ihnen, treibt sie auf die Spitze und lässt den Betrachter nicht selten mit einem verblüfften Grinsen Teil seiner erstaunlichen Kunstwerke werden. So ließ Johansson für sein Ole Kunst museet (1997) ein typisch norwegisches Holzhaus (husmansplass)) hinter Glas setzen, eröffnete darin eine Kunstausstellung mit den Bildern des ehemaligen Besitzers, fertigte einen Katalog an und ließ Führungen veranstalten. Während dieses kleine Kunst-Universum hinter Glas in seiner konzeptuellen Gradlinigkeit nicht weniger überraschend sein könnte, bewies er bei anderen Projekten, dass er auch die leisen Töne beherrscht. Allerdings darf man sich bei Johansson nie allzu lange in Sicherheit wiegen, denn dann sitzt man bereits mit sechzig anderen Ausstellungsbesuchern halbnackt in einer kollektiven Sauna (The Sauna Project, 1997-98) oder befindet sich in einem mit verschiedensten Rohrelementen verzierten Wohnraum, der zudem die schwedische Fleischwurst Falukorv in Eimern, als Plakat an den Wänden oder wahlweise als riesige Zahnbürste präsentiert.

Demnach ist auch in der Galerie Kuchling Vorsicht geboten, in der Johansson nun sein neues Territorium auf Zeit erobert hat. Da werden Kirchenbänke, Taufbecken und Kanzel im typischen Rot des Dalapferdes lackiert und – Halleluja! – inmitten der Ausstellungsräume platziert. Mag diese farbgewaltige Installation auf den ersten Blick befremden, so ist sie doch vor allem eines: eine Hommage des Künstlers an seinen Vater, der einst Kirchenmaler in Dalarna war und Johansson bereits als Kind das Werk des schwedischen Impressionisten Anders Zorn näherbrachte. 2012 schuf Johansson schließlich für das Zornmuseum in Mora eine Reihe von Werken, darunter eben jene Installation Halleluja, zum Leben und Werk von Anders Zorn – dabei stets im Hinterkopf die Erinnerung an seinen Vater Gunnar tragend. Nicht weniger schwedisch wird es in den anderen Räumen: So wehen in Archetypical Swedish Innocence neun schwedische Flaggen, von Motoren angetrieben, unermüdlich im Galeriewind, während unzählige Dalapferde, teilweise auf Plastiktellern liegend, in Glaskästen montiert und so vom Künstler zum Ausstellungsobjekt fragwürdiger schwedischer Identität deklariert werden. Allerdings ist es nicht nur die eigene nationale Identität, die Johansson kritisch hinterfragt. In German Pigs! sehen wir Johansson, der mit ernster Miene und stechendem Blick in die Kamera blickt. Der auf dem Haupt zu einem Seitenscheitel geformte Speck sowie das kurze Speck-Oberlippenbärtchen machen überdeutlich klar: diese speckige Karikatur Adolf Hitlers lässt nicht länger zu, dass hier nur mit der schwedischen Nationalität jongliert wird. Diesmal sind wir Deutschen dran. Ebenso wie in Schweden sind neonazistische Bewegungen auch in Deutschland noch immer eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Eine Gefahr, der Johansson – insbesondere im Kontext des eigenen Landes – in vielen seiner Werke mittels entblößender Überzeichnungen deutlich und einprägsam entgegentritt. Doch trotz aller Ernsthaftigkeit der Thematik zeigt sich einmal mehr angesichts der speckigen Hitlerfrisur, dass Johansson eines nie verliert: seinen entwaffnenden Humor.

So mag Johansson vielleicht einer der häufigsten Nachnamen in Schweden sein, doch dieser Johansson ist deutlich mehr als nur ein schwedisches Durchschnittsklischee. Dieser Johansson ist einzigartig und hat mit Sicherheit noch einiges in der Hinterhand, um an unserem Blick auf die eigene Identität und auf die Realität und deren Schaffung von nationalen und kulturellen Sinnbildern zu rütteln. Halleluja!


Ausstellung vom 9. NOVEMBER 2013 – 2. FEBRUAR 2014


KÜNSTLER

Peter Johansson